

Wenn von Romanen, Theaterstücken oder Drehbüchern die Rede ist, haben wir einen Begriff ganz schnell vorne auf der Zunge sitzen: Dramaturgie.
Das ist auch kein Wunder. Ständig geht es um Dramaturgie. Jeder künstlerische Stoff hat selbstverständlich eine Dramaturgie. Und es liegt ja auch auf der Hand, dass ein Roman anders funktioniert als ein Theaterstück oder ein Drehbuch.
Soweit in der Theorie. Aber wie sieht das eigentlich in der Praxis aus? Wodurch unterscheiden sich die verschiedenen künstlerisch ausgerichteten Textformate?
Wie funktionieren fiktive Texte?
In meinem Artikel „Die Dramaturgie des Textes (Teil I)“ habe ich darüber geschrieben, wie kurze und eher sachlich ausgerichtete Texte funktionieren. Aber was für eine Dramaturgie wohnt eigentlich langen Texten inne?
Wenn du mit dem Gedanken spielst, ein Buch oder Drehbuch zu schreiben, solltest du die grundlegenden Unterschiede kennen.
Heute möchte ich dir 5 Textarten vorstellen und dir zeigen, was sie voneinander unterscheidet. Dabei soll es in erster Linie um fiktive Textarten gehen, von der Kurzgeschichte bis zum Drehbuch.
Neben den fiktiven Formaten habe ich außerdem noch die Reportage ausgesucht. Sie ist zwar eigentlich sachlich, folgt aber ähnlichen dramaturgischen Gesetzen wie ein Roman oder ein Drehbuch. Warum, dazu später mehr.
- Kurzgeschichte: Direkt in die Handlung springen
Eine Kurzgeschichte zeichnet sich vor allem durch eines aus: Ihre Kürze. Sie kann 1 Seite lang sein, 5 Seiten, manchmal auch 20 Seiten. Wird es länger, spricht man in der Regel schon von einer Erzählung.
Der kleine Umfang einer Kurzgeschichte bedingt gleichzeitig ihr wichtigstes Merkmal: Es gibt keine Einleitung! Wo du in einem Roman einen Prolog und in einem Theaterstück eine Exposition findest, springt die Kurzgeschichte direkt in die Handlung.
Wieder ist es natürlich die Länge bzw. die Kürze, die das erzählerische Mittel, das man auch Medias in Res nennt, bedingt. Auf 5 oder 10 Seiten hast du einfach keine Zeit, eine ausführliche Einleitung zu schreiben.
Und noch etwas zeichnet eine Kurzgeschichte aus: Sie erzählt nur selten wirklich eine komplette Handlung. Zwar kann die Handlung durchaus in sich geschlossen sein, doch ist sie in den meisten Fällen einem größeren Kontext entnommen, auf den sie jedoch nur Hinweise enthält.
Die Aufgabe einer Kurzgeschichte ist, den Leser mit einer parkenden Eröffnung zu fangen und in einem kleinen Spannungsbogen zu einer Lösung zu führen – oder eben auch nicht, denn viele Kurzgeschichten spielen damit, durch ein offenes Ende dem Leser die platte Lösung vorzuenthalten und ihn zum Nachdenken anzuregen.
- Roman: Spannungsbögen und der rote Faden
Laut Definition ist ein Roman die Langform einer schriftlichen Erzählung. Das ist aber noch lange nicht alles, denn ein Roman kann viel, viel mehr.
Je nach Genre macht ein Roman ganz schön unterschiedliche Sachen: Eine Komödie bringt dich zum Lachen, ein Krimi spannt dich auf die Folter, eine Liebesgeschichte weckt Sehnsüchte, eine Fantasygeschichte lasst dich in fremde Welten eintauchen, ein historischer Roman wirft dich um Jahrhunderte zurück.
Aber obwohl jede Art von Roman eine so unterschiedliche Wirkung erzielt, haben Sie doch eins gemeinsam. Die Erzählung folgt einem Spannungsbogen und wird von einem roten Faden zusammengehalten.
- Theaterstück: Drama, Drama, Drama
Das Theaterstück ist eine der ältesten Formen der Literatur. In der Antike nutzten die alten Griechen diese Form zur Unterhaltung des Volkes. Lange Zeit gab es allerdings nur die Tragödie. Denn damals hatte Theater in erster Linie ein Ziel: Es sollte weniger unterhalten als viel mehr die Zuschauer von ihren Sünden läutern – das nennt man auch Katharsis.
Lange Zeit haftete dem Theaterstück etwas Lehrhaftes an. In der Antike sollte Theater die Seele reinigen, in der Aufklärung sollte es erziehen. Erst in der Postmoderne durfte Theater endlich auch reine Unterhaltung sein.
Dramaturgisch besteht ein Theaterstück meistens als 3 oder 5 Akten. Dabei folgt auf eine Exposition die so genannte steigende Handlung bis zum Wendepunkt, an dem die Hauptfigur sich messen muss. Danach nimmt die Handlung eine neue Richtung, und führt wahlweise zu einer Lösung oder einer Katastrophe, je nachdem, ob du eine Komödie oder eine Tragödie schreibst.
- Drehbuch: Filmisches Erzählen
Drehbücher erfüllen eine schwierige Aufgabe. Sie dienen als Vorlage für einen Film oder eine Serienepisode und werden auf eine sehr spezielle Weise geschrieben. Mit den formalen Aspekten eines Drehbuchs würde ich aber wohl den Rahmen dieser kleinen Übersicht sprengen, und werde dem Thema einen eigenen Artikel widmen.
Ein Autor lebt in der ständigen Angst, dass er seine Leser nicht halten kann. Wenn dein Text, egal wie lang, egal welche Textform, ihn nicht überzeugt, klickt er einfach die Seite weg oder klappt das Buch zu.
Ein Drehbuch wird eigentlich gar nicht dafür geschrieben, gelesen zu werden. Aber nur ein gutes Drehbuch wird möglicherweise zu einem guten Film, den der Zuschauer gerne und bis zum Ende schaut.
Ähnlich wie bei einem Theaterstück gibt es eine Exposition beziehungsweise einen Anstoßpunkt, von dem aus sich die Geschichte entwickelt. Ein Wendepunkt in der Mitte, Midpoint genannt, gibt der Handlung eine neue Richtung. In der Regel hat ein Drehbuch noch weitere Wendepunkte, die man Plot Points nennt.
Wie bei einem Roman geht es in einem Drehbuch darum, einen Spannungsbogen zu erfinden, der den Zuschauer innerhalb der ersten Minuten packt und auf eine Reise bis zum Ende des Films schickt.
- Reportage: Wahre Geschichten spannend erzählen
Natürlich zählt eine Reportage nicht zu den fiktiven Formaten. Trotzdem ist sie aber gar nicht soweit von einem Roman oder Drehbuch entfernt. Das ist natürlich eine gewagte These. Wie komme ich darauf?
Eine Reportage oder Dokumentation will eine wahre Geschichte erzählen. Das kann ein bebilderter, geschriebener Bericht sein, aber auch eine filmische Variante.
Im Gegensatz zu einem Zeitungsartikel basiert eine Reportage zwar auf Fakten, trotzdem will sie aber ihre Geschichte spannend erzählen. Wie das geht? Mit einem Spannungsbogen, ähnlich wie in einem Roman, einem Theaterstück oder einen Film.
Wie macht eine Reportage das? Klar, sie hält sich an die Fakten. Und was noch? Sie bebildert sie, sie stellt möglicherweise einige Fakten um, aber sie erfindet nichts dazu. So kann sie einen Spannungsbogen weben, ohne sich von der Realität zu entfernen.
Texte und ihre Eigenarten
Ja, Texte haben ganz schön viele Eigenarten. Und natürlich war das alles ganz schön knapp gehalten. In den nächsten Wochen werde ich immer mal wieder einen Artikel über eine dieser Textsorten veröffentlichen. Wenn du also mehr erfahren wirst, trage dich in meinen Newsletter ein und du verpasst keinen Artikel über Dramaturgie und Storytelling.
Wenn du mehr über den roten Faden erfahren möchtest, findest du hier einen Beitrag von mir dazu.
Wenn du überhaupt erstmal ins Thema Schreiben einsteigen willst, ist vielleicht das eBook Buch schreiben und Autor werden von Melanie Schultz das richtige für dich. Du kannst es auf www.buchschreiben.com gratis downloaden. Unter dem Link findest du außerdem einen ausführlichen und lesenswerten Beitrag über Dramaturgie als Kompositionslehre.
Genieß deinen Tag,
Deine Christine