

Drehbuchautoren sind ständig auf Ideensuche. Und gerne kommen die von ganz allein – denn nicht selten ist es ja das Leben, das die besten Geschichten schreibt. Oftmals müssen wir aber für ein Drehbuch auch ganz mechanisch an die Ideensuche herangehen.
Ideensuche für das nächste Drehbuch, den nächsten Pitch
Eigentlich steht unser Kopf ja niemals still. Jeden Tag ploppen Gedankenfetzen auf, die wir manchmal notieren, manchmal einfach so dahinziehen lassen. Sie entstehen aus dem, was wir sehen, was wir erleben, was wir lesen, was wir hören. Wenn wir einen Gedanken für ein Drehbuch aufschreiben, dann im Alltag meist nur in kürzester Form, denn Zeit ist ein kostbares Gut.
Vielleicht hast du sogar schon die eine oder andere Idee notiert, aber wenn du eines deiner Notizbücher durchblätterst, will dich nichts von diesen kleinen Teasern so recht anspringen. Damit wächst die Gefahr, dass dein Notizbuch mit der Zeit zu einem Friedhof ungenutzter Gedanken verwaist. Wie lässt sich an dieser Stelle weitermachen?
Vielleicht hast du auch einen Termin mit einem wichtigen Kontakt vor Augen, triffst vielleicht einen Produzenten, einen Producer oder einen Redakteur. Der Pitch, den du dabei hast, ist detailliert ausgearbeitet, aber hast du eine Antwort auf die gefürchtetste aller Fragen? Denn ein guter Pitch (aber auch ein nicht so guter Pitch) resultiert häufig in: „Was haben Sie denn sonst noch so?“
Frische Ideen braucht das Land
Ein Gedankengang ist der Anfang: Aus ihm aber muss eine Idee entstehen, die eines Drehbuchs wert ist. Denn ein Pitch ist schon deutlich mehr als nur eine Prämisse, eine thematische Annäherung, ein „Was wäre wenn“-Gedankenspiel. Oft braucht es nur einen kleinen Funken, um aus einem Gedanken eine handfeste Idee zu machen, von der wir ahnen, wo die sprichwörtliche Reise hingehen soll.
Ein guter Indikator, ob du auf dem richtigen Weg bist, ist dieser: Wenn eine Prämisse etwas in dir auslöst, solltest du deinem Instinkt vertrauen. Was kein Interesse generiert, kann dagegen erst mal in die Giftschublade. Denn wofür du nicht brennst, das wird wahrscheinlich auch deinen Gesprächspartner nicht aus der Reserve locken.
Manchmal aber muss der Funke, der zum nächsten Pitch führt, aber noch entfacht werden. Steht ein Meeting oder ein wichtiger Pitch an, steigt natürlich auch der Druck – und unter Druck fällt das Ideen generieren nicht so leicht.
Wie gut, dass es auch Möglichkeiten gibt, spielerisch mit der Ideenfindung umzugehen.
Ansatz 1: Überschriften-Genre-Roulette
Ausgangspunkt:
Nimm eine Zeitschrift, eine Online-Zeitung oder sogar den Facebook Feed (aber Vorsicht! Der ist gefährlich für Menschen, die sich gerne ablenken lassen). Blättere oder scrolle durch, aber lies NUR die Überschriften, nicht die Storys, die dahinter stecken.
Schritt 1:
Entscheide dich für eine Überschrift, von der du glaubst, dass darin eine spannende Geschichte stecken könnte. Eine Überschrift, die Welten aufmacht, oder die kontrovers ist, und die dich zu neuen Ideen anspornt.
Schritt 2:
Entwickle aus dieser Überschrift mindestens drei Varianten, die klassische Genres bespielen. Erinnere dich also an konventionelle Muster, nach denen Filme funktionieren und kombiniere einzelne Genres mit der Überschrift. Du entwickelst also eine ganze Handvoll an Ideen, wie die Headline als Thriller, als Romanze, als Coming of Age Drama, als Horrorfilm lauten könnte.
Zum Beispiel: Als alter Krimi-Fan werde ich natürlich hellhörig, wenn ich lese: „Sie wollten Serienmörder werden – und fassten einen teuflischen Plan“
- Thriller: Zwei angehende Serienmörder planen das perfekte Verbrechen und spielen ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei – auf Leben und Tod.
- Romanze: Zwei Brüder planen eine Karriere als Serienmörder. Als der eine sich in eine Frau verliebt, muss er dringend seinen Bruder loswerden, damit die Liebe eine Chance hat.
- Komödie: Zwei Freunde beschließen Serienmörder zu werden, weil das Leben ihnen sonst keine Karriere bietet. Leider stellen sie sich dümmer an als die Polizei erlaubt und anstatt zu töten, retten sie einem Fremden das Leben.
- Coming of Age: Als ein Schüler kurz vor seinem Abschluss erfährt, dass er nur noch wenige Wochen zu leben hat, überredet er seine Clique, zu Mördern zu werden. Das Opfer seines perfiden Plans: Er selbst.
- Horror: Der teuflische Plan, als Serienmörder in die Geschichte einzugehen, wendet sich gegen drei Freunde, als sie von Jägern zu Gejagten werden.
Das sind natürlich alles nur Beispiele und keine ernstzunehmenden Stoffideen. Aber du wirst merken: Wenn du nur lange genug auf einer vielversprechenden Headline herumkaust, werden dir von ganz alleine ausgefallene Ideen kommen. Übrigens: Je länger die Headline und je mehr Infos darin stehen, desto mehr Material zum „Spielen“ hast du.
Ansatz 2: Eine neue Perspektive einnehmen
Ausgangspunkt:
Die Grundlage dieser „Übung“ sind bestehende Märchen, Sagen oder Geschichten. Schnapp dir zum Beispiel eines von den Grimms Märchen – die enthalten viel Sagengut und haben unter anderem den amerikanischen Filme- und Serienmachern schon viel Freude beschert. Man denke nur an Hänsel und Gretel. Mit einer kleinen Veränderung der Prämisse wird ein Blockbuster draus: Jahre nach den verstörenden Ereignissen im Pfefferkuchenhaus haben Hänsel und Gretel, inzwischen erwachsen, nur ein Ziel: Rache an allen Hexen nehmen.
Die Protagonisten in ein anderes Alter zu versetzen, ist eine Möglichkeit (siehe Ansatz 3). Hier aber geht es um etwas anderes, nämlich die Perspektive, aus der die Geschichte erzählt wird.
Vorgehen:
Bleiben wir bei Hänsel und Gretel. Hast du in einem ersten Schritt die Prämisse der Geschichte in einer Logline zusammengefasst, verändern wir nun die Perspektive.
Logline: Als die Geschwister Hänsel und Gretel in die Fänge einer kannibalischen Hexe geraten, müssen sie einen Plan für ihre Befreiung schmieden.
Die Geschichte lässt sich aber auch aus anderen Perspektiven erzählen:
- aus der Sicht einer psychisch kranken Hexe, die Menschenfleisch für gesünder als tierisches Fleisch hält
- um den Gedanken weiterzuspinnen: aus der Sicht des Psychiaters der Hexe (ja, du darfst neue Figuren erfinden)
- aus der Sicht des Vaters, der seine beiden Kinder im Wald sucht
- aus der Sicht von Gretels Tochter, die Jahre später auf den geistig verwirrten Onkel Hänsel trifft (der die Ereignisse nie verarbeiten konnte)
Der 2. Punkt macht eine ganz neue Welt mit neuen Figurenkonstellationen auf. Das ist erlaubt und so gedacht – denn aus der POV der jeweiligen Figuren können sich unterschiedlichste Erzählungen, Genres und Handlungsbögen entwickeln. Notiere einfach erst mal eine Liste mit so vielen Ideen, wie du finden kannst. Sortieren kannst du dann später noch.
Selbst wenn du die usprüngliche Geschichte nicht bis ins letzte Detail kennst, kannst du mit erfundenen POVs arbeiten – schließlich bist du auf der Suche nach einer neuen Prämisse und willst nicht die alte Geschichte aus einer neuen Sicht erzählen. Denn, und das ist gut so: Der Ausgangspunkt einer Sage oder eines Märchens kann dich zu einer ganz anderen Figur führen, die in einer ganz anderen Zeit in einem ganz anderen Genre lebt.
Ansatz 3: Übergangsritus + Fantasy
Ausgangspunkt:
Im englischen Sprachgebrauch kennt man den Begriff „Rite of Passage“. Er beschreibt eine Lebensphase, die einen Umbruch darstellt – üblicherweise bieten solche Situationen besonders viel Futter für eine spannende Filmhandlung. Sei es das Erwachsenwerden, das Verarbeiten eine Todesfalls, die erste Liebe oder der Verlust des Jobs: Das alles sind Situationen, die universell verstanden werden. Im Deutschen lässt sich das mit „Übergangsritus“ übersetzen.
Add-on:
Ein Genre-Element, Sci Fi, Fantasy oder Supernatural.
Schritt 1:
Du wählst einen „Rite of Passage“, einen Übergangsritus aus. Dann addierst du ein Genre-Element. Das kann aus der Science Fiction, aus der Fantasy oder aus dem Übernatürlichen (Supernatural) stammen.
Schritt 2:
Führe ein Brainstorming mit „What if“- Fragen durch, die beide Elemente verwenden und diese auf so viele unterschiedliche Varianten wie möglich miteinander verknüpfen.
Auch hier wieder ein Beispiel zur Verdeutlichung: Erwachsenwerden (Coming of Age) + Geisterjäger
- Was wäre wenn… ein Teenager entdeckt, dass er einer Linie von Geisterjägern entstammt, er dafür aber seine Familie für immer verlassen muss?
- Was wäre wenn… zwei Brüder übernatürliche Phänomene jagen und darüber erkennen, dass sie nicht Schuld am Tod ihrer Mutter sind?
- Was wäre wenn… die Tochter eines Geisterjägers sich dazu entscheidet, ein ganz normales Leben führen zu wollen und dann von Geistern gejagt wird, die sie nur mithilfe ihres Vaters besiegen kann?
Nicht immer führt das zu wirklich interessanten Prämissen. Manches hat man schon mal gesehen, anderes hat Hollywood schon verfilmt. Zum Beispiel mit der erfolgreichen Serie „Supernatural“, deren Grundidee eng an meiner 2. Prämisse angesiedelt ist.
Hier gilt es also auszusieben. Und zwar gründlich, damit du nur mit den Ideen weiterarbeitest, die wirklich lohnenswert sind. Um so besser, wenn du eine lange Liste von möglichen Prämissen für dein Drehbuch heruntergeschrieben hast.
Nach dem Brainstorming
Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit. Denn bis hierher haben wir nur lustig Ideen gesammelt und in einen großen Sack gesteckt. Jetzt geht es daran, einzelne Zettel zu ziehen und herauszufinden, welche Idee einen Funken in uns auslöst – genau solche Ideen haben das Zeug dazu, weiterentwickelt und beispielsweise in einen Pitch ausgearbeitet zu werden.
Dafür geht es nun an die Feinabstimmung der Idee. Der nächste Schritt: Eine Logline finden, die eine gute Basis abgibt. Ergo: Auf ihr muss man aufbauen können, hier muss sich schon das Gerüst, das Fundament einer starken Geschichte ablesen lassen. Denn: Its the Stories that matter, jawohl!
1. Die Suche nach vertrauten und originären Aspekten
Ein gutes Drehbuch bzw. Film braucht zwei Dinge: Es muss ihm etwas innewohnen, das dem Zuschauer (und dem Produzenten, der es kaufen soll) vertraut erscheint. Das ist der universelle Kern, das emotionale Dilemma, das jeder auf der Welt verstehen und nachvollziehen kann.
Das zweite ist das neue, originäre, das den Stoff besonders macht und aus der Masse heraushebt. Was ist einzigartig an dieser Idee? Warum muss man sie in diesem Drehbuch erzählen? Warum so erzählen? Über diese Fragen solltest du dir Gedanken machen.
2. Ideen einen neuen Hook verpassen
Wenn deine Ideen dich trotz allem nicht anfixen, musst du nicht die Ergebnisse deines Brainstormings gleich in die Tonne hauen. Keineswegs. Denn es gibt immer noch Wege, eine Prämisse oder Logline mit einem neuen Twist zu versehen. Hier eine kleine Auswahl, wie du vielleicht doch noch eine Variante entdeckst, die eine neue Welt aufmacht:
- Perspektive: Die POV ändern und aus der Sicht einer anderen Figur draufsehen
- Entgegengesetzter (oder unerwarteter) Beruf: Den Beruf der Hauptfigur auf den Kopf stellen, Killer statt Cop, Cop jagt Cop, illegaler Immigrant jagt Killer
- Entgegensetztes soziales Milieu: Arm statt reich, Heimatloser statt Bürgermeisterkandidat, Sekretärin statt Akademikerin
- Unerwartetes Geschlecht
- Anderer Lebensabschnitt, Lebensphase
- Neue Location, neues Milieu
- Andere Zeit, anderes Jahrhundert
- Andere/größere Hindernisse
- Hinzufügen von Fantasy- und Sci-Fi-Elementen
Spielerisch statt gezwungen Ideen erarbeiten
Das schöne an diesen Methoden: Sie lassen sich ganz spielerisch verfolgen, ohne Zwang und Druck. Was gerade nicht passt, wird für später weggelegt. Vielleicht kommt dessen Zeit ja noch.
Abschließend eine Richtlinie, der du, egal wie du Stoffe für Drehbücher entwickelst: Immer erst mal den Ideen folgen, die am meisten Interesse wecken. Und gerne auch mal am Umfeld ausprobieren.