

Dass am Anfang eines jeden Filmprojekts (oder Serienprojekts, der Vollständigkeit halber) eine Idee stehen muss, bedarf wohl keiner großen Diskussion. Ohne Idee kein Drehbuch, kein Film, keine Serie. Soweit klar.
Nicht immer kommt eine Idee auf demselben Weg zu uns. Das aktuelle Tagesgeschehen, längst vergessene Notizen in einem Notizbuch, das wir wieder aufklappen, oder ein spontaner Einfall können der Auslöser für ein neues Projekt sein. Wenn wir krampfhaft nach einer Idee suchen, stehen wir meist allein auf weiter Flur und nichts tut sich. Lassen wir aber los und unseren Gedanken freien Lauf, entstehen spontane Verknüpfungen – die Ideen kommen von selbst zu uns, wenn wir sie nur lassen. Alternativ lassen sich Ideen aber auch durch intensive Recherchen entwickeln. Nicht umsonst heißt es „StoffENTWICKLUNG“, und warum nicht auch die Idee zu einer solchen erst einmal entwickeln?
Über Recherche zur Filmidee kommen
Ein Beispiel: Ich plane z. B. in naher Zukunft einmal ein Science Fiction-Projekt zu beginnen. Weil ich mich aber mit den technischen Voraussetzungen, die etwa der Entwicklung von Robotern zugrunde liegen, ebenso wenig auskenne wie mit der realistischen zukünftigen Entwicklung unserer Gesellschaft, beginne ich ausgehend von meinem grundsätzlichen Interesse mit einer Recherchephase.
Die Idee, mit welchen Figuren ich in einer „Near-Future-Welt“ Konflikte und Abenteuer erzählen kann, wird dann im Zuge der Recherche von alleine kommen, weil meine grauen Zellen daran gewöhnt sind, Dinge, die ich lese oder sehe, weiterzudenken. Zu einer solchen Recherche gehört für mich übrigens nicht nur das Lesen von Literatur zum Thema, sondern auch das Ansehen einschlägiger Filme und Serien, die in einer solchen Welt spielen. Zu wissen, WAS bereits gemacht wurde und WIE es gemacht wurde, kann die Ideensuche ebenfalls ganz schön befeuern, vor allem wenn ich mir die Frage stelle, was NOCH NICHT gemacht wurde.
Aber zurück zur Idee: Angenommen, eine Idee ist da. Aber ist es überhaupt eine Filmidee?
Filmidee oder nicht? Die Frage nach der Erzählform hinter einer Idee
Um die Frage, ob es sich bei unserer Idee um eine Filmidee im engeren Sinne handelt, beantworten zu können, sollten wir zwei Aspekte betrachten.
Handelt es sich um eine Idee, die noch nie dagewesen ist, die etwas bereits Bekanntes auf vollkommen neue Art und Weise erzählt? Oder gibt es ganz einfach ein Zielpublikum, das wie gemacht für diese Idee ist? Können wir diese Frage schon mal mit Ja beantworten, lohnt es sich, weiter über die Idee nachzudenken. Ist unsere Antwort unentschieden oder ein Nein, sollten wir die Idee (erst mal) verwerfen und uns auf die Suche nach einer Idee machen, die mehr Potenzial birgt.
Hat die Idee Potenzial, stellt sich die entscheidende Frage: Was für eine Idee ist es? Ist es eine Geschichte für einen Fernsehfilm? Kino? Eignet sie sich für eine TV-Serie? Lässt sie sich über mehrere Episoden horizontal erzählen? Ist sie ein Prinzip, nach dem sich eine episodische Serie bauen lässt? Ist es eher nur ein Kurzfilm? Eine Kurzgeschichte? Ein Theaterstück? Ein Roman? Wichtig ist, dass wir herausfinden, wofür sich diese Idee am besten eignet. Nehmen wir nur mal Fargo: Definitiv eine Filmidee. Aber sie funktioniert auch als Serie, vielleicht sogar noch besser denn als Film. Das Geheimnis? Die Idee ist so universell, dass sie Raum für viele Geschichten unter denselben Vorzeichen lässt.
Was ist das Geheimnis einer guten Film- (oder Serien-) Idee?
Auf der Suche nach einer Filmidee, die ein Drehbuch trägt, landen wir unweigerlich beim Publikum. Es geht dabei zunächst gar nicht darum, ein bestimmtes Genre zu finden, um ein bestimmtes Publikum anzusprechen. Filme und Serien, die todsicher ein Erfolg werden, gibt es heute kaum noch. Selbst Filme, die auf das Star-Prinzip oder ein ausgefallenes Marketing setzen, floppen zuweilen. Und auf der anderen Seite gibt es die Überraschungshits, von denen niemand erwartet hat, dass sie überhaupt die Produktionskosten wieder reinholen.
Um unser Publikum (und ein Publikum, das größer ist als eine kleine Gruppe von Genre-Nerds, die sich beispielsweise von einem klassischen Horror-Streifen abholen lässt) zu erreichen, müssen wir uns fragen, was der Kern unserer Idee ist: Wo kann der Zuschauer anknüpfen, ohne dass es sich um einen spezifischen Aspekt des Plots handelt?
Das klingt erst mal seltsam, denn natürlich muss der Zuschauer auch einen Bezug zum Plot finden. Aber, und darauf will ich an dieser Stelle hinaus, der Mensch erzählt Geschichten (und das seit Jahrtausenden), weil sie „allgemeine Wahrheiten“ sind. Die Amerikaner verwenden gerne den klingenden Begriff „universal truth“, der es noch ein bisschen besser verdeutlicht: Irgendwo in unserer Geschichte, in unserer Idee muss es also einen Kern geben, der eine „universal truth“ ist, und über den Plot selbst hinausgeht. Es muss eine Art Erkenntnis hinter dem Plot stecken, die für jeden Zuschauer zutrifft.
Das universelle Element einer Idee – unverzichtbar
Kaum einer von uns war jemals in eine Verfolgungsjagd involviert. Kaum einer hat plötzlich erfahren, dass er (oder sie) Nachkomme einer königlichen Familie ist. Kaum einer hat erlebt, dass Ehepartner oder Kind gekidnappt wurden oder dass gar Außerirdische auf der Erde landen und Anspruch auf den Planeten stellen. Und trotzdem schaffen es diese Geschichten (und tausende mehr), dass wir als Zuschauer uns in die Lage der betroffenen Figuren versetzen können.
Im besten Fall geht der Zuschauer dann noch aus seinem Seherlebnis heraus und nimmt etwas mit, das über den reinen Plot hinausgeht. Das erreichen wir über eine dramaturgische Frage, mit der wir unsere Filmidee aufladen. Fragen wie „Ist es besser, geliebt und jemanden verloren zu haben, oder nie geliebt zu haben?“ schaffen einen Anknüpfungspunkt, mit dem sich jeder identifizieren kann.
Mehr über dramaturgische Fragen und die individuelle Relevanz, die ein Film für jeden Einzelnen haben kann, lest ihr in der nächsten Woche in Teil 2.