

Jetzt haben wir die wichtigsten Faktoren, die bei der Entwicklung einer Filmidee oder Romanidee eine Rolle spielen sollten, abgegrast. Unsere Idee hat schon Hand und Fuß, denn wir haben die Erzählform definiert und eine universelle Wahrheit in unserer Geschichte gefunden, wir haben die Geschichte in eine in sich geschlossene Struktur gebracht, und wir haben die Frage nach Zeit und Raum geklärt, in der wir unsere Geschichte verorten.
Abschließend möchte ich eine ketzerische Frage stellen: Ergibt der Film Sinn? Wahrscheinlich wirst du jetzt mit „natürlich“ oder „keine Frage“ antworten, denn schließlich hast du dir wochen-, wenn nicht monatelang den Kopf zerbrochen, am Stoff gefeilt und die Entwicklung deiner Figuren und Plots vorangetrieben. Natürlich ergibt der Film Sinn, und das sollte er auch, denn sonst ist mit großer Wahrscheinlichkeit schon in der Stoffentwicklung gehörig was schief gelaufen.
Mir geht es in diesem Beitrag aber weniger darum, ob der Film auf Seiten der Geschichte Sinn ergibt, sondern vielmehr um den dramaturgischen Sinn, die äußere Logik, die den Zuschauer in Bann zieht, ohne ihn dabei auf halber Strecke zu verlieren.
Die äußere Logik einer Filmidee
Was ich als „äußere Logik“ definiere, ist eine Problematik, die in erster Linie Ideen für Film und Fernsehen betrifft, also visuelle Medien. Der Roman ist davon weniger betroffen, und zwar aus einem einfachen Grund: Bin ich beim Lesen abgeschweift oder habe einen Zusammenhang nicht ganz durchschaut, kann ich zurückblättern und noch mal nachlesen.
Bei einem Film oder einer Fernsehserie geht das aber nicht. Blättern ist einfach aus rein technischen Gründen nicht drin, und zurückspulen ist (sofern möglich, wenn man also nicht im Kino oder vor dem linearen Fernsehbildschirm sitzt) leider ziemlich unsexy. Ganz abgesehen davon wollen wir natürlich einen Film erzeugen, der den Zuschauer so sehr in Bann zieht, dass er voll dabei ist und gar nicht daran denken kann, mit den Gedanken woanders zu sein. Taucht z. B. plötzlich eine Figur (wieder) auf und ich habe keinen blassen Schimmer, wer das noch mal war, finde ich die Information im bewegten Bild nicht so leicht wieder wie in einem Roman.
Ein Film verliert mich immer dann, wenn ich seiner Geschichte, also dem, was der Plot mir verrät, nicht mehr folgen kann. Wenn Lücken in der Handlung auftauchen, die auch später keinen Sinn ergeben. Wenn Ereignisse passieren, die sich aus der vorhergegangenen Handlung nicht erschließen und auch in den kommenden Minuten nicht erschlossen werden. Ich muss als Zuschauer der Handlung folgen können, zumindest in dem Maße, dass ich die Reise gemeinsam mit den Protagonisten anzutreten und weiterzugehen bereit bin. Bricht aber mitten in der Handlung dieses unsichtbare Band ab, bin ich als Zuschauer verloren.
Einzige Ausnahme: Ein Film, der mir von Anfang an klarmacht, dass ich hier besser nicht nach einer Sinnhaftigkeit oder Logik suchen sollte, weil es zum Prinzip des Films gehört, dass es sie nicht gibt. Auch das kann spannend sein, wenn es denn kommuniziert wird.
Wann ergibt eine Filmidee auf der Leinwand Sinn? (und wann nicht?)
Der Schlüssel zur äußeren Logik eines Films ist die Unterscheidung zwischen Story und Plot. Beide können die Ereignisse der Handlung auf vollkommen unterschiedliche Weise und in abweichender Reihenfolge erzählen. Dass die Story in all ihren Facetten Sinn ergeben sollte, ist unstrittig.
Darüber hinaus ist aber für den Zuschauer im Moment des Anschauens und Erlebens viel wichtiger, dass der Plot sinnvoll strukturiert ist. Sinnvoll strukturiert versteht sich insofern, dass der Zuschauer nicht mitten im Film das Gefühl bekommt, jetzt ganz dringend zurückblättern zu wollen, weil ihm eine wichtige Information fehlt, oder er sich nicht mehr an eine bestimmte Figur erinnern kann.
Es gibt Filme, die sich in ihrem Plot sehr stringent an der Story orientieren. Auf der anderen Seite stehen Filme, die den Zuschauer bewusst in die Irre führen und ihm durch Zeitsprünge oder das Vorenthalten von Informationen das Erleben von überraschenden Twists zu ermöglichen.
Die Plotorientierte Dramaturgie
Wichtig für unsere Filmidee ist, dass wir unserem Plot eine durchdachte Dramaturgie geben. Dabei ist es ganz egal, in welchem Genre wir unterwegs sind, oder welche Twists wir für den Zuschauer auf Lager haben. Wir kommen nicht drum herum, dass der Film schon beim ersten Ansehen von vorne bis hinten Sinn ergeben muss – selbst wenn sich der Sinn „hinter dem Plot“, erst ganz am Ende enthüllt, wie beispielsweise in The Sixth Sense. Spätestens beim Abspann sollte unser Zuschauer das Gefühl haben, die Geschichte kapiert zu haben.
Eine kleine Ausnahme bilden TV-Serien – vor allem die horizontal erzählten. Diese leben nämlich davon, dass jede Episode mit einem Cliffhanger endet. So wird der Zuschauer auch für die folgende Episode gewonnen. Und doch: Der Plot einer Folge (und natürlich eines abgeschlossenen Films) muss soweit geschlossen sein, dass der Zuschauer nicht mit 1000 offenen Fragen zurückgelassen wird.
Dieser Beitrag gehört zu einer 4-teiligen Reihe und schließt diese ab:
Teil 1 beschäftigt sich mit Erzählformen und universeller Wahrheit.
Teil 2 dreht sich um die Abgeschlossenheit des Plots und die Ziele der Figuren.