

Mal ehrlich. Bücher übers Schreiben und auch ganz spezifisch übers Drehbuchschreiben gibt es wie Sand am Meer. Muss man die wirklich alle gelesen haben? Von Syd Field über Robert McKee bis zu Blake Snyders „Save the Cat“ geht es doch im Grunde immer um das selbe. Oder doch nicht?
Syd Fields „Grundlagen des Drehbuchschreibens“ und Robert McKees „Story“ gehören längst zu den Klassikern der Drehbuch-Literatur. Beide Autoren gelten als Ikonen ihres Fachgebiets. Etwas anders sieht es da bei Blake Snyder aus. Mit seinem Drehbuchratgeber „Save the Cat“ polarisiert er – die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn; ein Dazwischen gibt es selten.
Ein Grund „Save the Cat“ mal näher unter die Lupe zu nehmen.
Save the Cat – Lektüre für zwischendurch
Anders als viele andere Ratgeber ist Blake Snyders Buch kein dicker Wälzer. Mit 181 Seiten im englischen Original (208 Seiten in der Übersetzung) fällt „Rette die Katze“ eher dünn aus.
Einerseits gar nicht schlecht. Man braucht nicht übermäßig lange, um es zu lesen, zumal Snyder einen gefälligen, schnell zu überfliegenden Schreibstil pflegt. Ob er damit aber seinem eigenen Credo „The Last Book on Screenwriting you’ll ever need“ gerecht werden kann, ist eine berechtigte Frage, und das aus mehreren Gründen.
Ist es zu schaffen, auf 181 Seiten alle wichtigen Infos übers Drehbuchschreiben inklusive Praxisratgeber zu versammeln?
Und ist eine lässige, umgangssprachliche Schreibe das, was angehende Drehbuchautoren und alte Hasen brauchen und wollen?
Denn bei näherer Betrachtung, und hier zeigt sich schon, dass ich nicht zu denen gehöre, die Snyder lieben, ist das einfach zu wenig. Natürlich liegt dem Ganzen ein gewisser Gebrauchswert inne, aber für mich, und da mögen die Meinungen auseinander gehen, reicht es nicht, um „Save the Cat“ unter die Top 10 der Drehbuchratgeber zu wählen.
Was hat es mit dem Titel auf sich?
Titel und auch Cover des Buchs sind zugegebenermaßen klug gewählt. „Save the Cat“ bzw. „Rette die Katze“ sieht in Verbindung mit dem Coverbild nicht nur nett und auf eine junge Zielgruppe zugeschnitten aus, sondern macht vor allem eins: neugierig!
Ein guter Einfall, der zum non-chalanten Stil des Buchs passt. Und doch auch schade, dass er sich nur auf einen Bruchteil des Inhalts, genauer gesagt eine einzige Szene des zu schreibenden Drehbuchs bezieht.
Es geht nämlich, und das ist schon das ganze Geheimnis der Katze, darum, den Helden einer Geschichte sympathischer zu machen, z. B. indem er eine Katze rettet. Das ist natürlich nur ein Platzhalter für jegliche Form des Sympathie-Generators. Essenz: Lass deinen Helden etwas nettes tun und alle werden ihn mögen.
So einfach?
Ja und nein. Es mag Filme und Figuren geben, bei denen das funktioniert. Und doch haben wir auch durch viele moderne Beispiele gelernt, dass ein Held nicht sympathisch sein muss, damit wir mit ihm mitgehen. Bestes Beispiel: Kevin Spacey alias Frank Underwood in House of Cards. Der Typ ist ein absoluter Arsch (pardon my french), und doch gehe ich inzwischen durch 5 Staffeln mit ihm mit. Freiwillig und gerne. Denn er hat einen Charakter, der mich interessiert, vielleicht viel mehr interessiert als der sympathische Held von nebenan.
Drehbuchschreiben nach Rezept
Dass Snyders Ratgeber ziemlich dünn ist, haben wir schon festgestellt. Und nicht nur äußerlich, auch inhaltlich ist mir das alles ein bisschen zu wenig. Denn Snyder bricht das Drehbuchschreiben auf ein zwar klar erkennbares, aber doch simples Rezept herunter. Das kann man 1:1 anwenden, funktioniert für mich aber nur bedingt.
Warum? Ich glaube, dass das, was hier vorgestellt und durchexerziert wird, nicht ausreicht, um überzeugende Filme oder Serien zu entwickeln und zu schreiben. Snyder gibt das Versprechen, seins sei „das letzte Buch über Drehbuchschreiben, das wir jemals brauchen werden“. Ein großes Versprechen, in das sich hohe Erwartungen legen lassen.
Und das Rezept mag auch aufgehen, solange man nicht nach den Sternen greift. Denn was Snyder vorstellt, ist Plotten nach Schema F, und was dabei herauskommt, haben wir schon tausendmal gesehen, vor allem im Hollywood-Kino, aber auch im deutschen und internationalen Fernsehen. Es sind vorhersehbare Storys, und damit schafft man es nicht ins hochwertige Film- und Seriengeschäft.
Wer mehr vom Drehbuchschreiben erwartet als Schema F, sollte deshalb auch noch den einen oder anderen Schreibratgeber mehr zur Hand nehmen.
Ein starres Regelwerk
Apropos Schema: Was „Save the Cat“ uns vorsetzt, ist noch mehr als das. Es ist ein starres Regelwerk, das sich vor lauter Unflexibilität kaum überbieten lässt. Snyder legt in seinem Beat-Sheet exakt fest, auf welcher Seite des Drehbuchs das Setup, die B-Story und natürlich die wichtigen Plot Points liegen sollen. Jede Abweichung davon schmälere die Qualität des Drehbuchs.
Da darf, nein muss man sich in Hinsicht auf neue Erzähltechniken, Crossmedia und europäische bzw. deutsche Erzähltraditionen doch fragen, ob ein solch starres Regelwerk a) überhaupt noch zeitgemäß ist und b) einem deutschen Drehbuchautor etwas bringen kann.
In der ersten Auflage erschien „Save the Cat“ im Jahr 2005. Das ist zwar schon eine ganze Weile her, aber die Grundtechniken des Drehbuchschreibens verändern sich nicht so stark. Auch Syd Field und Robert McKee, deren Standardwerke schon lange Jahre auf dem Markt sind, kann man ja durchaus noch so einiges abgewinnen.
Und doch werden auf der anderen Seite auch in Hollywood längst neue Erzähltechniken praktiziert, die gerne auch mal bewusst mit der Tradition brechen. Das war auch 2005 sicherlich schon absehbar, aber Abweichungen jedweder Art sind Snyder ein Dorn im Auge.
Für den deutschen Markt nur bedingt anwendbar
Seine Formelhaftigkeit, die ihm von vielen Seiten vorgeworfen wird, und die auch mich eben bisweilen stört, mag aber für mittelmäßige Hollywood-Filme gut funktionieren. Viele der Filme, die ich in den letzten Jahren gesehen habe, lassen immer wieder genau diese Formel durchschimmern. Und doch sind das aber nie die Filme gewesen, die mich wirklich vom Hocker gehauen haben. Leider kommt nämlich auch Hollywood nur noch selten mit Filmen um die Ecke, die herausstechen, weil sie anders sind und genau das sind die Filme, die mich begeistern.
Für den deutschen Markt aber ist „Save the Cat“ nur bedingt anwendbar. Weder unsere Kinofilme noch die neuen High-Quality Serien bedienen sich eines Schemas, das a) so leicht zu durchschauen wäre, noch b) so starren Regeln folgen würde.
Wer fürs deutsche Kino oder Fernsehen schreibt, sieht sich anderen Regelwerken gegenüber. Die sind manchmal starr, manchmal recht flexibel. Um dem gerecht werden zu können, ist es wichtig, den Markt und die Sendeplätze zu kennen, und Themen zu finden, die den Zeitgeist treffen. Aber dafür brauchen wir im Grunde kein Hollywood-Beatsheet mit vordefinierten dramaturgischen Seitenzahlen.
Wer ist eigentlich dieser Snyder?
Eigentlich müsste die Frage lauten: Wer WAR eigentlich dieser Snyder? Denn leider ist er nicht besonders alt geworden und schon 2009 verstorben. Er gilt (auch über seinen Tod hinaus) als einer der erfolgreichesten Spec Autoren Hollywoods.
Aber eben auch nur Spec Autor. Will heißen: Er hat viele Drehbücher geschrieben, aber alle auf Spec(ulation), d. h. ohne konkreten Auftrag. Viele dieser Spec Scripts hat er an amerikanische Studius verkauft, aber realisiert worden sind kaum welche davon. Als Erfolge werden demzufolge Filme wie „Stop! Oder meine Mami schießt“ und „Mac Millionär“ verbucht.
Erfolgreich oder nicht: Stellt sich an dieser Stelle nicht die Frage, wie es rüberkommt, wenn der Autor fast ausschließlich aus nicht verfilmten Drehbüchern berichtet? Ein guter Eindruck über seine Arbeitstechniken und wie sie auf aktuelle Filme angewendet werden können, findet sich übrigens auf der Seite zum Buch.
Das Drehbuch auf Logik durchleuchten
Bis zu dieser Stelle habe ich, zugegeben, ziemlich viel geschimpft. Ich habe einfach mehr von diesem Buch erwartet, nicht zuletzt weil Autor und Titel sich so selbstbewusst in Szene setzen.
Und natürlich ist nicht alles schlecht an „Save the Cat“. Denn zum Plotten selbst und auch zum Überprüfen des Plots funktioniert Snyders Methode sehr, sehr gut. Nicht zuletzt in seinem Beat Sheet verweist Snyder nämlich auf alle zentralen Wendepunkte, die wir für einen Film oder eine Serienepisode brauchen. Und die können wir uns zunutze machen.
Wieder eine andere Sache ist die Überprüfung des Plots auf Schlupflöcher. Auch dafür lässt sich Snyders Methode gut hernehmen, um z. B. Löcher und Probleme im Plot zu erkennen. Indem wir „Save the Cat“ nutzen, um die Tiefenstruktur einer Geschichte auszuloten, können wir auch entdecken, ob unsere Figuren funktionieren, ob Konflikte logische, figurenimmanente Reaktionen auslösen und ob am Ende lose Fäden übrigbleiben.
So angewendet, ist „Save the Cat“ pragmatischer im Umgang mit den Problemen des Plots als beispielsweise McKee, der immer wieder auf die Prinzipien zurückgeht. Snyders Ansatz hilft dabei, den Plot auf seine einfachsten Elemente herunterzubrechen und Plotholes, Figurenproblematiken und schwache Nebenplots zu erkennen. Und solange man die verpflichtenden Seitenzahlen weglässt, wird auch das Beat Sheet zu einer nützlichen Roadmap.
Fazit
Wer nach einer Formel für ein Drehbuch sucht, die er von oben nach unten „abarbeiten“ kann, ist bei Snyder gut aufgehoben. Sein Beat Sheet bietet eine gute Zusammenstellung von Fragen, mit denen man sein Drehbuch bzw. den Plot durchleuchten kann. Insofern eignet es sich gut zum Plotten, weil man sich von Ereignis zu Ereignis hangeln kann.
Dann aber sollte man sich meiner Meinung nach frei machen von dem starren System, vor allem wenn man für den deutschen Markt schreibt. Ob der Plot-Point jetzt auf Seite 25 oder 27 ist, interessiert doch wirklich niemanden. Ich muss aber dazu sagen, dass ich grundsätzlich kein Freund von starren Regeln bin, an die man sich sklavisch halten muss. Andere Autoren mögen das genau andersherum sehen und in „Save the Cat“ ein sinnvolles Buch entdecken.
„Save the Cat“ ist also nicht mein Lieblingsbuch geworden, und das eine oder andere sollte man dann doch noch zusätzlich lesen, z. B. Robert McKees „Story“, dass eher Prinzipien als Regeln lehrt. Meinen Eindruck zu „Story“ findest du in diesem Artikel.
Was hältst du von „Save the Cat“? Hast du es gelesen oder schon mal angewendet? Wenn nicht: Würdest du es lesen und mit ihm arbeiten wollen? Ich freue mich auf deine Meinung in den Kommentaren!