

Robert McKee zählt unter den Drehbuchlehrern zu den ganz Großen des vergangenen Jahrhunderts. Auch heute hat der US-amerikanische Autor nichts von seiner Faszination verloren: Seine Drehbuchseminare über Story, Dialog und Serienschreiben sind weltweit ausgebucht und gelten innerhalb der Filmbranche als ein absolutes „Muss“, zumindest im englischsprachigen Raum.
Die Konzepte, die McKee in seinen Seminaren unterrichtet, hat er aber auch (für den schmalen Geldbeutel oder die, die einfach zu weit weg von allen Seminar-Orten leben) in Story: Style, Structures, Substance, and the Principles of Screenwriting zusammengefasst und erweitert. Eine verständliche und umfassende Erklärung der Kunst des Schreibens für den Bildschirm? Wir werden sehen.
(Gerechtfertigte) Kritik an Robert McKee: Neu ist das alles nicht
Wer sich genauer mit Robert McKee auseinandersetzt, wird schnell feststellen, dass das Wesen und die Prinzipien des Drehbuchschreibens, die er in Story zusammenfasst, nicht neu und revolutionär sind. Trotzdem hat er mit Story die Filmdramaturgie revolutioniert – aus gutem Grund: Seine Erarbeitung der Konzepte, die zum Teil bis auf Aristoteles zurückgehen, ist extrem gut strukturiert und enthält alles, was ein Drehbuchautor (egal ob alter Hase oder angehender Autor) wissen muss.
Für Anfänger ist Story deshalb ein Standardwerk, für erfahrene Autoren ein Nachschlagewerk, das immer wieder wichtige Prinzipien des Geschichtenerzählens in Gedächtnis zurückruft. Zu unserem Glück versteht Story es, alle Elemente einer Geschichte zusammenzufassen und zu erklären, wie aus diesen Elementen ein Drehbuch werden kann. Robert McKee schafft es, uns die Magie des Geschichtenerzählens zu vermitteln und arbeitet dabei deutlich heraus, wie die enge Beziehung von Struktur und Figuren funktioniert. Und das ist nicht nur für Drehbuchautoren, sondern auch für Romanautoren interessant.
Dass McKee sich bei den alten Griechen bedient, ist nicht weiter schlimm. Schließlich erzählen sich die Menschen seit Jahrtausenden Geschichten – und die grundlegenden Strukturen verändern sich einfach nicht. Ob es nun um starke Hauptfiguren oder das Erzeugen von Spannung geht, wussten Aristoteles und seine Dramatiker-Kollegen schon genauso gut wie wir, wie man das macht – also warum nicht von den Besten abgucken, wie es geht.
Story ist deshalb der Versuch, die Prinzipien des Geschichtenerzählens auf einen Nenner herunter zu brechen und für Drehbuchautoren (und alle anderen Autoren) nutzbar zu machen. Was also macht Robert McKees Story aus?
Die Mechanismen des Schreibens
Für mich liegt das Geheimnis von Story in seiner Universalität. Es eignet sich für jede Art des Schreibens, denn es baut auf den Grundprinzipien des Schreibens auf. Genre, Figuren, Setting, Konflikt und Komposition sind nur 5 der weithin bekannten Mechanismen des Schreibens, die McKee alle versammelt und auf verständliche, aufeinander aufbauende Weise erklärt.
Und die Mechanismen des Schreibens zu verstehen, darauf sollte jeder Autor aufbauen. Natürlich funktionieren Romanhandlungen anders als Filmhandlungen, und doch können sie gegenseitig voneinander lernen. Die Prinzipien von Konflikt, Hauptfigur und Genre gelten nämlich nicht nur für Film und Serie. Sie gelten auch für den Roman oder kürzere Erzählungen. Und auch wenn sich mancher Romanautor dagegen verwehren mag, auf die Prinzipien des Drehbuchschreibens zurückzugreifen, weil Romane viel komplexer seien als jedes Drehbuch, für den habe ich eine gute (oder schlechte, je nach Auffassung) Nachricht: Die Geschichte an sich, die wir erzählen, verändert sich nicht großartig. Die Art, WIE wir sie erzählen, durchaus, aber das steht auf einem anderen Papier.
Die Kunst und die Prinzipien des Schreibens stehen im Vordergrund
Eins ist klar, wenn man Robert McKee liest: Um das schnelle Geld sollte es dem Leser nicht gehen. Story ist nämlich alles andere als eine weitere Schritt-für-Schritt-Anleitung zum perfekten Drehbuch. Um das große vielleicht schon, denn gute Drehbücher haben natürlich eins gemeinsam: Sie lassen sich zu Geld machen, indem sie produziert werden.
Worum es McKee eigentlich geht, und hier wird es interessant für sowohl Drehbuch- als auch Romanautoren, ist die Wiederentdeckung der dem Schreiben zugrundeliegenden Grundsätze der Kunst und der Prinzipien, die das Talent in einem jedem Autor freisetzen können. Ganz gleich, in welcher Kunstform er schreibt. Sowohl Filme als auch Romane wollen eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die den Zuschauer bzw. Leser hineinzieht, sein Interesse weckt, und das in einer Erzählweise, die unwiderstehlich ist. Das Geheimnis sind gut gesetzte Cliffhanger und eine sich stetig aufbauende Neugier. Was wird als nächstes mit den Figuren passieren; wie geht die Geschichte aus? Cliffhanger sorgen dafür, dass der Zuschauer auf die Pinkelpause verzichtet und der Leser auch nachts um drei noch Seite über Seite umblättert.
Was wir von McKee lernen können
Von McKee lernen wir, wie wir genau das hinbekommen. Und zwar nicht in Form einer festgestanzten Formel, die uns vorgibt, nach wie viel Seiten oder Minuten was zu passieren hat, damit die „Hollywood-Formel“ aufgeht. Stattdessen erinnern wir uns wieder daran, wie wir unsere Kreativität und unser Talent weiterentwickeln und unser Projekt nach vorne treiben.
Anstatt uns an die Hand zu nehmen und uns einzubläuen, wie wir es machen sollen, gibt er uns die Werkzeuge an die Hand – und lässt uns laufen. Und das ist es, was Story für mich und viele andere Autoren ausmacht. Wie wir mit dem neuen oder wieder erinnerten Wissen umgehen, bleibt uns überlassen. Aber Robert McKee HAT uns daran erinnert – mit einer ganzen Menge praktischer Hinweise, Details und Analysen bekannter Filme, die es richtig oder falsch gemacht haben. Und damit bleibt Story für mich ein Nachschlagewerk, in das ich immer mal wieder gerne hineinsehe. Um mich an ein paar Prinzipien zu erinnern, bevor die Pferde wieder mit meiner Tastatur durchgehen 😉
Robert McKees Buch Story findest du hier (in der deutschen Ausgabe).
Du liest lieber im englischen Original? Hier geht’s zur englischen Version.
Noch keine Idee, ob Story das Richtige für dich ist? Isabel Costello vom Literary Sofa hat zusammengefasst, warum Story sich auch und insbesondere für Romanautoren eignet.