

Sowohl im deutschsprachigen Raum als auch international werden die Begriffe Story und Plot häufig synonym verwendet. Obwohl sie eigentlich etwas grundsätzlich anderes beschreiben, werden Begriffe wie Story, Plot, Handlung und Geschichte regelmäßig in einen Topf geworfen, so dass angehende Autoren oftmals gar nicht wissen, womit sie es eigentlich zu tun haben und warum man durchaus zwischen diesen beiden unterscheiden sollte.
Zeit, mit dem Mythos von Story und Plot ein bisschen aufzuräumen. Als Storyteller (dt. Geschichtenerzähler) ist es deine Aufgabe, Geschichten zu erzählen. Was aber hat es mit der Unterscheidung zwischen Story und Plot, Geschichte und Handlung auf sich?
Der Weg von der Idee zur Geschichte: Die Story
Egal, ob wir einen Roman oder ein Drehbuch schreiben möchten, im Zentrum unserer Arbeit als Autoren steht immer die Idee. Wir sind Geschichtenerzähler, Storyteller: Wir haben etwas zu erzählen. Wir entwickeln Ideen, aus denen eine Geschichte wird, die sich zu erzählen lohnt.
Am Anfang steht deshalb immer die Idee. Die Idee gibt den Anstoß zu einer Geschichte: Als Story fassen wir die Gesamtheit der Geschichte, die wir erzählen, auf. Sie bewegt sich in der Abfolge der Ereignisse und hat, damit sie dramaturgisch funktioniert, einen Anfang, eine Mitte und ein Ende.
Dieses System geht bis in die griechische Antike zurück. Der Dramatiker Aristoteles legte in seiner Poetik die Prinzipien des Dramas, vor allem der Tragödie (die Komödie galt in dieser Zeit noch nicht als Kunstform), zugrunde, die auch heute noch ihre Gültigkeit besitzen.
Aufbauend auf der Idee – dies kann ein Handlungsschritt, eine Figur oder ein Ereignis sein, das den Ausschlag gibt, dass wir diese Geschichte erzählen möchten – entwickeln Autoren und Storyteller eine Geschichte. Der Ausgangspunkt, ob Handlungsschritt, Figur oder Ereignis, kann dabei im Gesamtverlauf der Handlung zum Auslöser, zum Wendepunkt oder zur Auflösung werden, er kann sogar nur ein winziges Detail unserer Geschichte darstellen, wenn diese es verlangt. Mehr zum Thema Ideen finden und ausarbeiten kannst du übrigens hier lesen.
Die Prinzipien der Story
Eine Geschichte folgt in der Regel der Anordnung der Ereignisse. So wird sie in klassischen Erzählungen weitergegeben, und so kennen wir es auch aus der Erzählung historischer Ereignisse. Eine Geschichte verläuft also zunächst linear, ein Ereignis folgt dem anderen, Entscheidungen werden aufgrund von vorhergegangenen Ereignissen getroffen und bedingen wiederum den weiteren Verlauf der Geschichte.
Die lineare Erzählform ist damit die klassischste aller Erzähltechniken. Ein Ereignis gibt den Anstoß für eine Handlung, in deren Zentrum eine Hauptfigur steht. Sie verfolgt ein Ziel, allerdings stellen sich ihr verschiedene Hindernisse in den Weg, die sie überwinden muss, um ihr Ziel zu erreichen. Die Mitte der Handlung kann Rückschlag oder Triumph sein, und egal welche Richtung die Handlung nimmt, sind die Ereignisse in der Mitte doch nur vorübergehend. Das Ende schließt die Handlung ab, indem es lose Enden zusammenfügt, Konflikte auflöst und die Hauptfigur ihr Ziel erreicht oder scheitert.
Als Story bzw. Geschichte verstehen wir also die Gesamtheit einer Erzählung, die sich durch die (eventuell abweichende) Abfolge der erzählten Film- oder Romanhandlung nach und nach erschließt. Kausale und zeitliche Zusammenhänge, die in ihrem Auftreten lineare Ereignisse sind, müssen von uns Autoren auch linear, d.h. in ihrer „echten“ Abfolge erdacht bzw. zusammengefügt werden. Dem Zuschauer oder Leser aber können sie sich erst nach und nach erschließen. Wann genau das passiert, haben wir als Storyteller in der Hand.
Abweichende Erzählweise: Der Plot
Auch der Plot bzw. die Handlung transportiert letztlich die (kausal und zeitlich zusammenhängende) Geschichte. Der Plot muss sich jedoch nicht an deren logische Abfolge halten. Indem wir die lineare Anordnung von Ereignissen und Entscheidungen aufbrechen und nur teilweise oder gar nicht linear erzählen, bauen wir Spannung auf. So können wir den Leser oder Zuschauer emotional in unsere Geschichte hineinziehen. Das funktioniert aber natürlich nicht nur im klassischen „Suspense“-Sujet Krimi, Thriller und Action, sondern auch im Drama, in der Liebesgeschichte und auch in der Komödie.
Um den Plot von der Story abzugrenzen, müssen wir die Geschichte, die unserem Roman oder Drehbuch zugrunde liegt, von zwei Seiten betrachten:
- Das Erzählen: Die bewusste gewählte Anordnung und Abfolge von Ereignissen, die dem Leser oder Zuschauer präsentiert wird und die nicht linear sein muss. (Plot)
- Das Erzählte: Der kausale Zusammenhang der Geschichte, der erst am Ende des Gesehenen oder Gelesenen in seiner Gesamtheit verstanden werden muss. (Story)
Welche Auswirkungen hat diese Unterscheidung auf die Stoffentwicklung?
Als Storyteller haben wir die Aufgabe, den Leser bzw. Zuschauer nicht nur zu unterhalten, sondern ihn auch emotional an das Erzählte zu binden. Um das zu erreichen, haben wir verschiedene erzählerische und dramaturgische Mittel zur Verfügung, mit denen wir eine Geschichte aufbauen können.
Wie der Zuschauer oder der Leser eine Geschichte wahrnimmt, hängt nicht nur von den Voraussetzungen ab, die er selbst mitbringt (Wissen, sozialer Hintergrund, Gefühlslage). Es richtet sich auch danach, was wir ihn zu welchem Zeitpunkt der Handlung wissen lassen.
In den letzten Jahrzehnten haben sich sowohl Seh- als auch Lesegewohnheiten extrem gewandelt. Nicht linear erzählte Geschichten sind so alltäglich geworden, dass eine klassische Erzählweise uns geradezu langweilt. Filme und Romane, die noch vor 20 bis 30 Jahren als bahnbrechend und postmodern in ihrer Erzählstruktur galten, lassen uns heute nur noch müde lächeln. Für die Stoffentwicklung eines Drehbuchs oder eines Romans bedeutet das, dass wir vor allem eins müssen: den Leser bzw. Zuschauer überraschen!
Mithilfe eines nicht oder nur teilweise linear erzählten Plots können wir ihn so durch die Handlung führen, wie WIR wollen. Indem wir ihm wertvolle Informationen für die Auflösung der Geschichte vorenthalten, führen wir ihnen zunächst in die Irre. Aber nur bis zu einem bestimmten, dramaturgisch sinnvollen Moment, damit er später einen umso größeren Aha-Effekt erleben kann.
Die Phase der Entwicklung gibt uns die Möglichkeit, verschiedene Plots einer einzigen Geschichte auszuprobieren und uns die wirksamste Version für unsere Erzählung herauszugreifen. Natürlich müssen wir uns dabei nicht sklavisch an starre Systeme halten. Den oft vergessenen Unterschied zwischen Story und Plot sollten wir Storyteller aber im Hinterkopf behalten.
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Danke für die interessanten Ausführungen und die wichtige Unterscheidung zwischen Story und Plot. Für mich hat sich eine einfache Unterscheidung als nützlich erwiesen, die, so glaube ich, auch in diese Richtung geht: Story = was erzählt wird, Plot = wie es erzählt wird.
Lieber Stephan, ja so kann man es auch auf eine Formel herunterbrechen. So was kann man sich mal auf einem Post-it notieren und immer sichtbar am Schreibtisch kleben haben. Hilft auf jeden Fall! Alles Liebe, Christine
Das ist ja mal ein informativer, sorgfältig mit Liebe zum Detail geschriebener Artikel. Vielen Dank! 🙂